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 Kinder und Jugendforum
Kramdosenbea Offline



Beiträge: 381

25.08.2007 12:51
Die roten Jacken von H-Town Antworten

Aus der NRZ vom 25.08.07


Ihr Erkennungssymbol sind die Regenjacken, mit denen Ehrenamtliche und Jugendliche alle zwei Wochen abends durch Hochheide gehen.Begrüßungszeremonie und lockeres Gespräch: Ali, 16, bei seiner Runde durch den Stadtteil.Alfred Roch, Projektleiter, Vereinsvorsitzender, Bezirksbeamter: Überzeugt, dass sich etwas bewegen lässt.

PROJEKT. Wie Jugendliche aus der Hochhaus-Szene und Ehrenamtliche Angsträume in Hochheide auflösen wollen.
Die knallroten Regenjacken fallen sofort auf. Sollen sie auch. Dort, wo viele Leute froh sind, wenn sie nicht auffallen. Die kleine Gruppe schlendert langsam über den asphaltierten Platz, vorbei an tristen Betonfassaden. Es dauert nicht lange, bis der Erste sie anspricht. "Was macht ihr hier", fragt der Junge. Wie auch sonst kaum jemand nimmt er sich nicht die Zeit, den Aufdruck auf dem Rücken zu lesen. "Jugendcoop" steht da. Und "Initiative für Begegnung und Hilfe im Stadtteil". Der Stadtteil ist Hochheide, die Initiative der Verein Streetwork-Community und Jugendcoop sein neues Projekt.


In den roten Jacken stecken Jugendliche aus der Hochhaus-Szene. Ali, 16, ist einer von ihnen. Ali trägt eine Baseball-Kappe und Baggy-Jeans. Er ist kräftig, könnte als Erwachsener durchgehen. Geboren ist er in Kurdistan, lebt aber seit 13 Jahren in Deutschland, in Hochheide. Und hier lebt er gerne. "Hier bin ich aufgewachsen, hier kenne ich jeden", sagt er. "Hochheide, das ist das Beste." Auch wenn er sich über die Probleme bewusst ist. Arbeitslosigkeit, Diebstahl, Schlägereien, Einbrüche. "Das ist hier Alltag." Dennoch ist die Verbundenheit groß. Die Jugendlichen haben dem Stadtteil schon vor Jahren ihren eigenen Namen gegeben: H-Town. "H wie Hochheide, H wie Hochhaus. Das passt", sagt Ali. H-Town ist auf vielen Hochheider Etagen an die Wände gekritzelt, es ist zugleich das Synonym für das New Yorker Viertel Harlem, wo sich die Ghettoisierung seit den Siebzigern zum Kult entwickelte.

Drei bis vier Mal ist Ali schon mit der roten Jacke durch Hochheide geschlendert. Seinem Kumpel Daroon, 17, hat er von Jugendcoop und dem Grafitti-Workshop erzählt, jetzt ist auch er dabei, genauso wie Mehwan, 18. Maximal drei Jugendliche nimmt Alfred Roch, Initiator des Projekts und Vorsitzender des Vereins, jeden zweiten Dienstag mit auf den Rundgang. "Wir suchen die so genannten Brennpunkte, die Angsträume auf", erklärt Roch. "Wir sprechen niemanden an, meistens ist es umgekehrt. So kommt man ins Gespräch." Zu den Angsträumen gehören die Ladenstadt, Schulhöfe, der Rote Weg. Überhaupt das gesamte Areal rund um die "Weißen Riesen", die Bausünden der Wohnungsnot in den 70ern, die heute mit ihren Leerständen und zunehmender Baufälligkeit für viele Probleme sorgen. Die wenig frequentierten Plätze und "dunklen" Ecken dienen als Treffpunkte für Jugendliche und junge Erwachsene, die entweder durch Lärm, Trinkgelage oder das bloße Auftreten die Anwohner verärgern oder ängstigen.

Die ehrenamtliche Form der "aufsuchenden Jugendarbeit" ist nicht neu in Hochheide. Eine "Bürgerpräsenz" wurde vor Jahren vom Arbeitskreis Kinder und Jugend Hochheide angestoßen, ein Netzwerk aus Kirchen, Vereinen, Schulen, Verwaltung und Polizei.

Neu ist, dass seit drei Monaten Jugendliche selbst aus der Szene dabei sind. Die Gruppe streift nicht mit erhobenem Zeigefinger umher, sie sind weder schwarze Sheriffs noch Light-Version des Ordnungsamtes. "Ziel ist ein einfaches Gespräch. Es geht darum, Distanz abzubauen", sagt Roch. Die Präsenz zeige bereits Wirkung. Vor allem Vandalismus auf Schulhöfen, die nachmittags und abends als Treffpunkt dienen, habe nachgelassen. Die Gesichter seien sich gegenseitig bekannter geworden.

Das Projekt soll sich herumsprechen, wie sich sonst alles schnell herumspricht, was irgendwie von Interesse ist. Wie der Streit zwischen zwei Inhabern eines Internet-Cafés, der für einen mit dem Flug durchs Schaufenster endete. Wie der Einbruch in den Kindergarten oder die Brandstiftung im Falkenheim. Oder wie die Schlägerei an Silvester mit den Russen, von denen Ali, Daroon und Mehwan nicht nur gehört haben, sondern mittendrin waren. Es gibt auch Dinge, über die redet Ali nicht viel. Wie über die 100 Sozialstunden, die er fast vollständig abgearbeitet hat. Noch weniger über den Umstand, wie es dazu kam. Für ein Hausverbot bei der Niag und der DVG hat es jedenfalls gereicht. Auch in der Schule hatte Ali Ärger. Der 16-Jährige wäre fast von der Schule geflogen, seine letzte Chance hat er genutzt. "Die dachten, ich schaff´ das nicht." Hat er aber, die sechs Zweien im Zeugnis sind der Beweis. Er weiß, wie wichtig ein Abschluss ist, später will er "was mit Strom" machen. Damit kennt er sich aus, die defekten Musikboxen in den Community-Räumen hatte er schnell repariert. Dass es schwer wird, einen Job zu finden, wissen alle drei. Genauso, dass sie nicht ewig auf dem Marktplatz abhängen wollen. "Klar, das muss sich ändern", sagt Mehwan. "Aber hier gibt es nichts, was man unternehmen kann." Arbeit, dass sei daher das Wichtigste.

"Auf jeden Fall schadet es nicht"


Bis dahin wollen sie ab und an wieder eine Runde mit Alfred Roch drehen. "Sie sollen das nicht für mich machen, sondern erkennen, dass sie etwas für den Stadtteil tun." Es gehe darum, soziale Kompetenz zu stärken. Wie bei der Grafitti-Aktion, die kommende Woche im Heilpädagogischen Heim stattfindet. "Da sehen die Kids, dass es Leute gibt, die weitaus schlechter dran sind." Während viele Akteure den Langzeit-Patienten Hochheide längst als nicht mehr heilbar abgeschrieben haben, ist Roch überzeugt, dass sich mit Engagement etwas bewegen lässt. Deshalb stellt er die Projekte auf die Beine, ist abends mit den Jungs unterwegs, ehrenamtlich, in seiner Freizeit. Als Bezirksbeamter in Hochheide kennt er die Probleme, die Hintergründe, die Härtefälle. "Ob das Projekt etwas bewirkt, darüber kann man streiten. Auf jeden Fall schadet es nicht."

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